Blog 27.11.2023

Kochbücher aus alten Zeiten

Ich liebe es, alte Geschichten über das Leben von früher zu entdecken. Die Einblicke in den Alltag des 19. und 20. Jahrhunderts faszinieren mich besonders, da die Zeit beinahe greifbar nah erscheint. Daher war mein Besuch im Frauenkulturarchiv Graubünden in Chur ein echtes Erlebnis!

Kolumne von Leonie Liesch, Geschäftsführerin graubündenVIVA / 27. November 2023

Entdeckungen im Frauenkulturarchiv Graubünden

Ich durfte nach spannenden Fundstücken zur Bündner Kulinarik stöbern. Meine Erwartungen kamen nicht zu kurz. Nicht zuletzt dank der netten Einführung durch Silke Redolfi waren meine Erwartungen erfüllt. Sie ist Mitbegründerin dieses wertvollen Archivs.

Kennen Sie das Frauenkulturarchiv Graubünden in Chur? Dieses Archiv, gegründet im Jahr 1997, ist eine Sammlung von Dokumenten, Fotos, Geschichten und Gegenständen, die das Erbe der Frauen in Graubünden bewahren. Es bietet Einblicke in die vielfältigen Aktivitäten und Errungenschaften von Frauen in den Bereichen Kunst, Handwerk, Landwirtschaft, Kulinarik und vielem mehr. Das Archiv zeigt die wichtige Rolle, die Frauen bei der Erhaltung und Weitergabe von Traditionen spielen. Es zeigt, wie Frauen durch ihre handwerkliche Geschicklichkeit und ihr Wissen dazu beitragen, die kulinarischen Traditionen von Graubünden lebendig zu erhalten. Die traditionellen kulinarischen Köstlichkeiten, die von Frauen zubereitet werden, sind nicht nur ein Genuss für den Gaumen, sondern auch ein Ausdruck der kulturellen Identität und des Erbes der Region. Der Blick ins Archiv zeigte, wie vielseitig unsere regionalen Gerichte sind. Sie sind ebenso reichhaltig wie unsere Landschaft, unsere Sprachvielfalt oder unsere reichhaltig kulturelle Geschichte und Einflüsse.  Spannend zu erfahren war, dass es praktisch kaum schriftliche Überlieferungen vom 16. bis Anfang des 19. Jahrhundert von Frauen gibt. Während der «Zuckerbäcker-Ära» wurden gemäss Archiv-Bestand des Frauenkulturarchivs praktisch nur Rezepte von Männern überliefert. Erst ab dem 19. Jahrhundert gibt es im Archiv Fundstücke, welche von Frauen verfasst wurden. 

Wie mir Silke Redolfi berichtet, wird von Interessierten oft nach alten Kochbüchern und Rezepten gefrag, sie üben anscheinend eine seltene Faszination aus. So haben die Kochbücher auch mich in den Bann gezogen.

Das Frauenkulturarchiv - das Wichtigste in Kürze

  • gegründet 1997
  • Bewahrung des Erbes der Frauen in Graubünden
  • Kunst, Handwerk, Landwirtschaft, Kulinarik und vieles mehr
  • Aufzeigen der Wichtigkeit der Rolle der Frau
  • Die Kulinarik ist nicht nur Genuss, sondern Ausdruck der kulturellen Identität der Region. 
  • Die Sprachenvielfalt hatte grossen Einfluss auf die Kulinarik
  • Erst ab dem 19. Jahrhundert gibt es im Archiv Rezepte von Frauen

Kulinarische Zeitreise: Historische Schätze aus Bündner Kochbüchern

Ein besonderes Fundstück ist ein Kochbüchlein aus dem Jahr 1808 von Caterina Besta aus Brusio. Im handgeschriebenen Büchlein entdeckt man so einiges. Nebst vielen feinen Bündner Rezepten war gar ein Rezept der Basler Leckerli zu finden. Was zudem spannend war, ist, dass diese Rezepte keinerlei Mengenangaben beinhalteten.

Während der Lektüre des Kochbuchs «La nostra Storia», welches anlässlich des 90-jährigen Jubiläums des Frauenvereins Bergell Sottoport veröffentlicht wurde, stiess ich auf interessante Informationen über Lebensmittel vor 1800. So war zu erfahren, dass man damals im Bergell die Polenta nicht mit Mais sondern aus Dinkel, Buchweizen, Hirse oder Kastanienmehl zubereitete. Aus dem Kochbuch geht hervor, dass Reis zu dieser Zeit ein seltenes Gut war, das sich nicht jeder leisten konnte. Daher wurde Reis in der Regel nur an Sonn- und Feiertagen konsumiert. Die Kartoffel hatte damals oft einen schlechten Ruf und wurde als «Brot der Armen» bezeichnet.

In einem dritten Buch, «Cuschigna Surmirana», ein Kochbuch, welches der Frauenverein Savognin als Jubiläumsgeschenk herausgebracht hat, schreibt der Frauenverein, dass sie schon in den 70er Jahren damit begonnen haben, nach einheimischen Rezepten zu suchen.

In ihrer Recherche stellten sie rasch fest: Typische Rezepte aus dem Surses sind rar gesät. Doch umso faszinierender präsentierten sich die überlieferten Rezepte, geprägt vom Einfluss des Transitverkehrs und fremder Kulturen. Die Küche profitierte von dieser Vielfalt. Bald schon verschmolzen diese fremden kulinarischen Einflüsse mit der heimischen Küche und wurden zu regionalen Spezialitäten.

Kulinarische Zeitreise - das Wichtigste in Kürze

  • Historisches Kochbüchlein (1808) von Caterina Besta, Brusio: Bündner Rezepte, Basler Leckerli, keine Mengenangaben.
  • «La nostra Storia»: Lebensmittel vor 1800, Bergell - Polenta aus Getreide, Reis selten und teuer, Kartoffeln als «Brot der Armen».
  • «Cuschigna Surmirana»: Frauenverein Savognin, Suche nach einheimischen Rezepten seit den 70er Jahren.
  • Surselva-Rezepte: Selten, aber vielfältig durch Transitverkehr und kulturelle Einflüsse, Verschmelzung zu regionalen Spezialitäten.
Humor in Kochbüchern

Humor und Herz in historischen Bündner Kochrezepten

Der Humor kam zu jener Zeit nicht zu kurz, denn in den Anfängen des 20. Jahrhunderts ragt in dem Kochbuch «Kochrezepte bündnerischer Frauen» ein Rezept besonders heraus. Es heisst «Probates Mittel, die Männer bei guter Laune zu erhalten» ergänzt in Klammer mit «echt bündnerisch». Im Rezept steht etwa, dass man unter anderem die nicht fassbaren Zutaten 6 Pfund Geduld, Nachsicht und Vorsicht mische. Am Schluss wird sodann alles in den Backofen der Liebe zubereitet. Seinem Mann könne man bei Gelegenheit ein Stückchen davon mit Feinheit und Weisheit bestreuen, bevor er es geniessen kann.